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© © F. Schmale und H. Elsherif​​/​​TU Dortmund

Prof. Joachim Hüffmeier leitet das Institut für Psychologie der TU Dortmund und engagiert sich dort sowie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPS) für eine offene Wissenschaft (Open Science). Gemeinsam mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Ann-Kathrin Torka berichtet er davon, wie Präregistrierungen – das Registrieren von Forschungshypothesen und Methoden vor der Datenerhebung – und das Teilen von Daten die Transparenz und Replizierbarkeit von Forschungsergebnissen verbessern können.

Wie sind Sie zu Open Science gekommen?

Joachim Hüffmeier: Ich komme aus der Sozialpsychologie, da habe ich promoviert. Diese Disziplin ist einerseits durch die Replikationskrise seit 2012 ein prominentes Beispiel für die Probleme, die mit nicht-offenen Daten und nicht-offener Wissenschaft einhergehen. Andererseits ist die Sozialpsychologie aber auch ein Aushängeschild für Innovationen in Richtung Open Science. Schon während meiner Promotion habe ich die Besorgnis über „Questionable Research Practices“, also über Forschungspraktiken wie das Aufstellen von Hypothesen nach bereits erfolgten Datenanalysen, geteilt. Als dann deutlich wurde, wie groß die Replikationsprobleme in der Sozialpsychologie sind, habe ich gedacht, ich mache es mit meiner Arbeitsgruppe anders. Seit 2016 werden alle Studien, die hier ihren Startpunkt haben, grundsätzlich präregistriert und alle Daten, die sinnvoll geteilt werden können, teilen wir auch. Außerdem stellen wir alle Informationen zum Vorgehen zur Verfügung. Wir wollen, dass unsere Forschung zumindest replizierbar ist, und haben selber auch schon zu der Frage geforscht, wie gute Open Science aussieht, und wie man mehr Wissen­schaft­ler*innen dazu bringen kann, ebenfalls Open Science Practices anzuwenden.

Ann-Kathrin Torka: Meine Bachelor- und Masterarbeit hier in der Arbeitsgruppe wurden auch schon präregistriert. Die Betreuer*innen haben uns erklärt, wofür das gut ist und wir machen das von Anfang an, sodass ich es gar nicht anders kenne. Während meiner Promotion habe ich dann angefangen, Open-Science-Praktiken nicht nur zu nutzen und anzuwenden, sondern auch zu erforschen.

Werden in der Psychologie häufig Daten geteilt?

Hüffmeier: Nein, sie werden ziemlich wenig geteilt. Das Problembewusstsein ist allerdings groß. Der große Knall, den es hier 2012 hinsichtlich der Nicht-Replizierbarkeit von Forschungsbefunden in der Sozialpsychologie gab, wird in vielen weiteren Disziplinen auch noch stattfinden. Das heißt, wir sind einen Schritt weiter, aber es ist leider noch nicht der Standard, dass Daten geteilt werden.

Torka: Wir sind noch nicht so weit, wie wir es gerne wären. Wir haben unter anderem ausgewertet, inwiefern die Journals Open-Science-Praktiken auf ihren Homepages fordern. Ein Drittel der Journals beispielsweise aus der Arbeits- und Organisationspsychologie informiert noch gar nicht darüber, dass man seine Daten teilen sollte. Die Journals haben diesbezüglich aber viel Einfluss: So versehen manche Journals etwa entsprechende Artikel mit Open-Science-Abzeichen (engl. Badges). Studien haben gezeigt, dass Autor*innen ihre Daten bereitwilliger teilen und besser aufbereiten, wenn die Artikel dann mit einem solchen Badge gekennzeichnet werden.

Hüffmeier: Ein „Data Availability Statement“, also der Vermerk im Artikel, dass Daten auf Anfrage geteilt werden, hilft leider nicht. Es gibt Studien, die zeigen, dass neun von zehn Forschenden die Daten trotz des Statements nicht teilen. Hier liegt es in der Verantwortung der Journals sicherzustellen, dass Autor*innen ihre Daten standardmäßig teilen, es sei denn, es gibt gute Gründe dagegen, zum Beispiel datenschutzrechtliche Bedenken. Solange Journals das nicht machen, ist es ein klarer Indikator, dass wir in diesem Bereich nicht genügend Problembewusstsein haben.

Was würden Sie anderen Wissen­schaft­ler*innen raten, die sich für Open Science interessieren?

Torka: Es kann sehr hilfreich sein, sich mit anderen auszutauschen, die selbst bereits Open Science anwenden. Man braucht am Anfang ein bisschen Zeit, um sich da „reinzufuchsen“, aber letztendlich ist es nicht schwierig, das kann jede*r lernen. Für Open Science sollte man sich die Zeit nehmen, denn es ist eine Investition in die Zukunft.

Hüffmeier: Man muss nicht alle Elemente von Open Science direkt auf einmal bedienen. Es reicht vollkommen, wenn man zum Beispiel mit einer Präregistrierung anfängt und die Daten zunächst vielleicht nicht teilt, wenn man sich da nicht sicher fühlt; oder nur die Daten teilt ohne eine Präregistrierung vorzunehmen. Sich für eine offene Wissenschaft zu engagieren, muss kein Rundumschlag sein, der unendlich viel Zeit kostet. Kleine Schritte führen auch zum Ziel. Open Science ist nicht schwarz oder weiß – sondern kann gerne grau sein am Anfang. Der Nutzen für die Forschung ist groß, weil auf diese Weise Datenanalysen reproduziert werden können und Befunde replizierbar werden. Aber auch individuell kann man als Forschende*r profitieren: Im Begutachtungsprozess werden sowohl Präregistrierungen als auch geteilte Daten von Gutachter*innen eigentlich immer positiv bewertet.

Zu den Personen:

  • Prof. Joachim Hüffmeier ist seit 2015 Professor für Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Dortmund und seit 2023 Mitglied der Open-Science-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPS)
  • Ann-Kathrin Torka ist seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Dortmund

Prof. Joachim Hüffmeier und Ann-Kathrin Torka werden als Data Champions porträtiert, weil sie zu den TU-Mitgliedern mit den meisten veröffentlichten Datensätzen zählen und Forschung im Bereich Open Science betreiben.

Text: Forschungsdatenservice
 

Weiterführende Informationen:

Präregistrierungen beim Open Science Framework
Forschungsdatenservice der TU Dortmund